Mutige Vision: Denk-Ort Fundamente


Kommentar von Rainer Kaufmann zur Pressekonferenz „Nachnutzung des ehemaligen Synagogen-Geländes“

Keine Frage: Da hat sich die Bruchsaler Oberbürgermeisterin Cornelia Petzold-Schick ganz weit aus dem Fenster gelehnt, indem sie das Thema Nachnutzung des früheren Synagogen-Geländes zur ihrer Sache erklärt hat, zur Sache der Chefin im Bruchsaler Rathaus. Und damit weiß sie ganz sicher auch, dass sie sich später an diesem Anspruch und an den Visionen, die sie aktuell damit verbunden hat, wird messen lassen müssen. Die Messlatte hat sie selbst gelegt und sie liegt recht hoch. Das verlangt zunächst einmal gebührenden Respekt.

Respekt verlangt auch, dass sie all denen eine klare Absage erteilt hat, die in der Verwertung des so genannten „Filetgrundstücks Feuerwehrhaus“ nichts anderes gesehen haben als einen normalen Grundstücksdeal zwischen der Stadt und irgendeinem Investoren, für den einige im Bruchsaler Gemeinderat bereits Einnahmen fest eingepreist hatten. Wenn es nach der Bruchsaler Rathauschefin geht, wird die Stadt das Grundstück nicht verkaufen, sondern es eventuellen Nutzern nur nach dem Erbbaurecht zur Verfügung stellen. Zu schwer, so ist ihre Stellungnahme zu verstehen, zu schwer wiegt die historisch-moralische Last auf dem Grundstück, als dass es nach den sonst üblichen finanziellen Schemata behandelt werden könnte. Das war Klartext.

Ihre Vision anstelle einer kommerziellen Nutzung nannte sie „Denkort Fundamente“, eine sprachliche Neuschöpfung, die sowohl das Gedenken an die Vergangenheit als auch das Nachdenken über die Zukunft beinhaltet. Eine mutige Vision, die der Stadt ein Narrativ eröffnet, das einzigartig ist in ganz Baden und sicher auch darüber hinaus.

Dass dies auch besondere städteplanerische Perspektiven eröffnet, zeigte Hartmut Ayrle, der Leiter des Planungsamtes der Stadt, auf. Das Synagogen-Areal liegt ziemlich genau in der Mitte der Strecke zwischen Schloss und Bahnhof. Hier einen Magneten zu schaffen, der Menschen von überall anzieht, kommt ganz sicher dem langjährig gehegten Wunsch Bruchsals entgegen, Schloss und Innenstadt wirkungsvoll zu verbinden. Abstecher zum Otto-Oppenheimer-Denkmal und zum Bürgerpark sind bereits eingeplant.

Schaut man sich die drei Komponenten dieses Denkortes genauer an, wird schnell klar, dass man sich in der Stadtverwaltung von Anfang an auch um die Finanzierung dieser Vision gekümmert hat. So will der Landkreis Karlsruhe die Handelslehranstalt erweitern, ein Projekt, das die Stadt kaum etwas kosten wird. Der Landkreis hat daher sicher erstes Zugriffsrecht auf das Gelände.

Unbestritten ist offensichtlich auch das „Haus des jüdischen Lebens“, wobei die Namensgebung klar stellt, dass es sich nicht um eine weitere Holocaust-Gedenkstätte handeln kann. Im Gegenteil: Es soll vielmehr der Anteil der jüdischen Bevölkerung am wirtschaftlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Leben in Baden aufgearbeitet und präsentiert werden. Mit spürbarer Erleichterung hat die Oberbürgermeisterin mehrfach erläutert, dass es für diese Idee in ganz Baden vielfältige Unterstützung gäbe. Und daraus leitet sie offensichtlich auch die Erwartung ab, Finanzquellen außerhalb von Bruchsal erschließen zu können. Nachdem ihr der Gemeinderat in seiner jüngsten Klausur grünes Licht für diesen Vorschlag gegeben hat, kann sie jetzt den entsprechenden Signalen, die es anscheinend gibt, nachgehen.

Der dritte Pfeiler dieser Vision ist allerdings erklärungsbedürftig. Schon allein der Name „Lernort Feuerwehr“ lässt angesichts der Geschichte dieses Platzes aufhorchen. Wie soll das denn zusammenpassen? Die Idee eines „Staatspolitischen Bildungsortes für die Feuerwehrangehörigen des Landes am Ort des einstigen Versagens“ geht wohl auf den Antisemitismus-Beauftragten des Landes Baden-Württemberg zurück. Sie wurde von der Oberbürgermeisterin wohl auch deshalb aufgegriffen, weil sich mit dem Partner Landesfeuerwehrschule, deren Träger das Land Baden-Württemberg ist, wohl eine weitere Finanzierungsquelle für das Gesamtprojekt „Denkort Fundamente“ anbietet.

Die Vision „Lernort Feuerwehr“ wird die Oberbürgermeisterin nur schwer vermitteln können, denn sie ist für viele, vor allem für Nachfahren ehemaliger Bruchsaler Juden, eigentlich ein „No go“. Und ob die Konstruktion ausreicht, ausgerechnet am Ort des einstigen Versagens den befürchteten „rechten Tendenzen in hierarchisch strukturierten Institutionen wie Feuerwehr und Polizei“ (Zitat Hauptamtsleiter Wolfgang Müller) entgegenwirken zu können, kann durchaus bezweifelt werden. Den rechten Sumpf unserer Gesellschaft als Rechtfertigung für eine solche Vision heranzuziehen, birgt die Gefahr, diesen nur unnötig aufzuwerten. Und ob sich Feuerwehr und Polizei ohne Widerspruch als Brutstätte rechter Tendenzen bezeichnen lassen wollen, darf bezweifelt werden. Da haben die Oberbürgermeisterin und die Stadt noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten.

Nicht berücksichtigt wird wohl leider der Vorschlag, zumindest einen Teil des städtischen Museums in das Denk-Ort-Konzept auf dem ehemaligen Synagogengelände einzubeziehen. Vor allem die Geschichte der Demokratie-Werdung Deutschlands – Bauernkrieg (Joss Fritz), badische Revolution 1848/49, Frankfurter Paulskirche, Einweihung des Frauenwahlrechts 1918, die Weimarer Republik und letzten Endes die Gründung der Bundesrepublik Deutschland – könnte durchaus auch mit Bruchsaler Lokal-Geschichte wirkungsvoll aufgearbeitet werden. Gerade auch mit Ereignissen der deutschen Geschichte, die auch in Bruchsal ihren Niederschlag gefunden haben. Warum dieser Aspekt in einem „staatspolitischen Bildungsort“ nicht aufgegriffen werden kann, wird die Stadtverwaltung noch erklären müssen. Wir sollten sie da nicht aus ihrer historischen Verantwortung entlassen. Auch wenn dieser Teil der Denk-Ort-Vision, das Städtische Museum, für Bruchsal vorerst nur schwer finanzierbar erscheint, muss er doch nicht gänzlich abgeschrieben werden. Visionen können auch langfristig angelegt sein und später erst umgesetzt werden.

Grafiken: Stadt Bruchsal

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