Kommentar des Bruchsaler Historikers Dr. Jürgen Dick zum Vorschlag „Lernort Feuerwehr“ auf dem Gelände der früheren Synagoge in Bruchsal
Grundsätzlich ist die Idee, Erinnerungsorte von Unrechtsgeschehen und politischen Versagens in Mahnorte umzuwandeln, die ähnliches künftig verhindern sollen, nachvollziehbar und zu begrüßen. Im Hinblick auf die detaillierte Begründung ist allerdings Vorsicht geboten.
Der „Lernort Feuerwehr“ wäre, wenn man die Begründung von Hauptamtsleiter Müller zugrunde legt – überspitzt ausgedrückt – eine „staatspolitische Erziehungsanstalt“ zur Prophylaxe rechtsgerichteter Tendenzen in einer hierarchisch strukturierten Institution. Als Angehöriger der Feuerwehr, insbesondere der Freiwilligen Feuerwehr, würde ich mich dagegen wehren, in einen solchen Generalverdacht gestellt zu werden. Die Idee der Freiwilligen Feuerwehr auf kommunaler Ebene war Teil des erwachenden Vereinswesens in der Mitte des 19. Jahrhunderts und hat starke Verbindungen mit der demokratischen Bürgerbewegung im Vorfeld der Revolution von 1848. Die damals gegründeten Feuerwehren beruhten auf freiwilliger, aktiver, selbständiger Mitarbeit im Rahmen von Eigenverantwortung und Selbstverwaltung der Bürger, losgelöst von obrigkeitlichen Strukturen. Oft kamen die Feuerwehrleute aus den Turnvereinen, d.h. es gab eine Verflechtung von Turnen, Gesang, Feuerwehr und demokratischer Gesinnung. Die quasimilitärische Disziplin und Hierarchie ist kein Widerspruch hierzu. Erst Ende des 19. Jahrhunderts wurden in größeren Städten Teile der Feuerwehr professionalisiert. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurden die Feuerwehren, wie viele andere Organisationen, gleichgeschaltet, in die Polizei integriert und damit der Kontrolle des totalitären Systems unterworfen.
Nach dem 2. Weltkrieg wurde wieder an alte Traditionen angeknüpft und erneut selbständige Strukturen auf kommunaler Ebene aufgebaut (vgl. Tobias Engelsing, Im Verein mit dem Feuer. Die Sozialgeschichte der Freiwilligen Feuerwehr von 1830 bis 1950. Konstanz 1990). Die Feuerwehren sind m.E. eng im jeweiligen gesellschaftlichen Leben der Gemeinde verankert. Wenn es dort rechtsgerichtete Tendenzen geben sollte, was mir nicht bekannt ist, dann sind sie das Spiegelbild des, wie Rainer Kaufmann es ausgedrückt hat, „rechten Sumpfes unserer Gesellschaft“ und kein strukturelles Problem der Feuerwehr selbst.
Auch ist das Unrecht von 1938 und das mangelnde historische Verantwortungsbewusstsein von 1952 in erster Linie den damals politisch Verantwortlichen der Stadt Bruchsal anzulasten. Dennoch gebe ich Rainer Kaufmann recht, wenn er bezüglich eines „Lernortes Feuerwehr“ erhebliche Bedenken äußert, da das geschehene Unrecht nun einmal stark mit der „Feuerwehr“ konnotiert ist. Ich unterstütze daher die Idee eines „staatspolitischen Bildungsortes“, der sich auf die traditionswürdige Demokratiegeschichte konzentriert, nicht zuletzt, um einen Kontrapunkt zur nach wie vor in Bruchsal überbordenden monarchischen Tradition (Schloss, Fürstbischöfe etc.) zu setzen. Dabei wird zu oft die Rolle der Fürsten als „Kulturmäzene“ unkritisch in den Vordergrund gestellt und gleichzeitig vergessen, dass sie diese Rolle nur auf der Grundlage einer Gesellschaftsordnung der sozialen Ungleichheit ausüben konnten. Die monarchische Tradition, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit dem wachsenden Nationalismus eine unselige Verbindung einging, hat u.a. zu jenem Obrigkeitsdenken geführt, das den Nährboden für den Untergang der Weimarer Republik und den Aufstieg der Nationalsozialisten bereitete (In dem Zusammenhang empfehle ich den Roman „Der Untertan“ von Heinrich Mann). Auch die geistigen Wurzeln des modernen Antisemitismus reichen ins Kaiserreich zurück.