Buchvorstellung
„DIE BÜRGERSOLDATEN VON RASTATT“
von Dr. Jürgen Dick
Der Bruchsaler Historiker Dr. Jürgen Dick (Mitglied der Kommission für Stadtgeschichte) hat im verlag regionalkultur (Ubstadt-Weiher) im Sommer diesen Jahres ein interessantes Buch zu einem besonderen Ereignis der Geschichte der Badischen Revolution herausgebracht: „DIE BÜRGERSOLDATEN VON RASTATT – Der badische Militäraufstand vom Mai 1849 im Rahmen der Reichsverfassungskampagne“. Vorgestellt hat er das Buch jüngst in einer Veranstaltung der „Erinnerungsstätte für die Freiheitsbewegungen in der deutschen Geschichte“ in Rastatt. Dick ist Vorstandsmitglied im Förderverein dieser Erinnerungsstätte. Deren Direktorin Dr. Elisabeth Thalhofer würdigte das Werk in ihrer Begrüßung: „Dass dieser Aufstand viel mehr war als nur ein letztes Aufbäumen, macht Jürgen Dicks Buch eindrucksvoll deutlich, denn letztlich zeigen sich in dieser Schlussphase der Revolution die Anfänge einer wehrhaften Demokratie. Jürgen Dick liefert mit seinem Buch einen ganz wichtigen Beitrag für das Verständnis der Revolution von 1848/49. Denn ihm gelingt nicht nur, die Ursachen und den Ablauf des Rastatter Soldatenaufstandes genau zu beleuchten, sondern er gibt den Akteuren auch Namen und Gesicht, indem es Lebenszusammenhänge und Handlungsmotivation der Einzelnen deutlich macht.“
Dick geht es vorrangig um eine sozialhistorische Analyse der verschiedenen Gründe und Faktoren des Militäraufstandes, um seine Ursachen, Anlässe und Entstehungsformen. Vor allem aber um die Frage, inwieweit das badische Militär wirklich vom Geist der bürgerlichen Revolution erfasst war oder, wie von der preußischen Siegespropaganda später behauptet, von alkoholisierten Exzessen geleitet wurde. Diese Fragestellung ist umso wichtiger, da, so Jürgen Dick, der Erfolg einer Revolution grundsätzlich in erheblichem Maße vom Verhalten des jeweiligen Militärs abhängig ist, das in den Staaten des Deutschen Bundes noch unter der Befehlsgewalt der Fürsten stand und auf diese vereidigt wurde. Ein wesentlicher Teil der Arbeit enthält daher eine Auswertung der biografischen Daten der in führender Funktion beteiligten Soldaten mit den daraus hergeleiteten Rückschlüssen über soziale Herkunft, Motivation, Art der Beteiligung und Grad der Politisierung. Eine aufwändige Recherche, die es in der bisherigen Literatur zu den Revolutionsjahren so noch nicht gab.
Dick kommt in dem knapp 100 Seiten starken Buch zu folgenden Ergebnissen: Zum einen habe der Grundrechtekatalog der Reichsverfassung den Militärs die Chance eröffnet, an diesen Rechten als „Bürgersoldaten“ teilzunehmen. Und: Weil es in Baden im Gegensatz zu den übrigen Ländern des Deutschen Bundes eine straff geführte Organisation von demokratischen Volksvereinen gab, die bereits den Charakter einer Volkspartei gehabt hätten, sei es gelungen, die Soldaten des Großherzogs zu politisieren. Die demokratischen Volksvereine hätten den Wettbewerb um die Herzen und Köpfe der bewaffneten Macht gewonnen und eine starke zivil-militärische Bindung geschaffen. Damit, so Jürgen Dick in seinem Schlusswort, sei die These von alkoholisierter Verschwörung und Verführung entkräftet. Die Meuterei der badischen Soldaten, nicht nur in Rastatt, sondern auch in anderen Städten, habe dann im Mai 1848 zur Flucht des Großherzogs und zur Übernahme der Regierungsgewalt durch den Landesausschuss der Volksvereine unter der Leitung von Lorenz Brentano geführt.
Auf einen interessanten Aspekt wies Dr. Elisabeth Thalhofer in ihrer Begrüßung hin: „Am Anfang der Entwicklung hin zu einer wehrhaften Demokratie war Rastatt und waren die Bürgersoldaten, die hier die Vereidigung auf die Verfassung einforderten. Erst ein Jahrhundert später wurde mit der Bundeswehr auf diese Traditionslinie zurückgegriffen und es wäre m.E. wichtig, diese Traditionslinie noch viel stärker sichtbar zu machen und für das Selbstverständnis der Bundeswehr zu nutzen.“ Eine historische Entwicklungslinie, die bislang unbeachtet blieb: Der „Bürgersoldat“ des 19. Jahrhunderts als Vorbild für den heutigen „Staatsbürger in Uniform“.
Hat das vielleicht etwas mit dem beruflichen Werdegang des Autors zu tun? Dr. Jürgen Dick war nach seinem Medizinstudium in die Bundeswehr eingetreten, wo er es im Sanitätsdienst zum Generalstabsarzt der Bundeswehr brachte mit vielen Auslandseinsätzen vor allem in Krisengebieten. Nach seiner Dienstzeit studierte er an der Fern-Universität Hagen Geschichte. Das Buch ist die Publikation seiner Masterarbeit. Derzeit arbeitet er an einer Dissertation zu Franz Sigel, dem aus Bruchsal stammenden General der Badischen Revolutionstruppen, der es dann nach seiner Flucht in die USA bei den Sezessionskriegen erneut zum Generalsrang auf Seiten der Union (Nordstaaten) gebracht hatte.
Rainer Kaufmann
Jürgen Dick
DIE BÜRGERSOLDATEN VON RASTATT
Der badische Militäraufstand vom Mai 1849 im Rahmen der Reichsverfassungskampagne
19,90 €
ISBN 978-3-95505-342-0
verlag regionalkultur Ubstadt-Weiher