Neues Tourismuskonzept: „Bruchsal – Ort der Demokratiegeschichte“

„Tatsächlich hat das erstaunliche Ansehen, das Deutschland heute in der Welt genießt, wesentlich mit unserem verantwortungsvollen Umgang mit der eigenen Geschichte zu tun. Zum historischen Werden Deutschlands gehört im Übrigen auch seine zwar wechselvolle, aber beachtliche Freiheits- und Demokratiegeschichte. Ihr angemessen und würdig zu gedenken, ist ebenso unverzichtbar wie konstruktiv für das Selbstverständnis unserer Nation.“

Bundestagspräsident Dr. Norbert Lammert vom 12. Februar 2017 bei der Eröffnung der Bundesversammlung, auf der Frank-Walter Steinmeier erstmals zum Bundespräsidenten gewählt wurde.

Als Mitglied der bundesweit organisierten Arbeitsgemeinschaft „Orte der Demokratiegeschichte“ ist der Förderverein „Demokratiegeschichte Bruchsal“ direkt beteiligt an der Konzeption eines völlig neuen Tourismus-Konzeptes für ganz Deutschland, das unter dem Logo „Route der Demokratiegeschichte“ künftig für Plätze, Städte und Orte eine gemeinsame Tourismus-Strategie aufbauen soll, an denen die Geschichte der Demokratiewerdung Deutschlands beispielhaft dargestellt und präsentiert werden kann. Der folgende Vorschlag eines lokalen Tourismus-Konzeptes bietet Bruchsal durchaus die Chance, in diesem künftigen Netzwerk einen prominenten Platz einzunehmen. Es sollte jetzt von der Stadtgesellschaft, der Stadtverwaltung, den politischen Gremien und den Medien ausführlich, aber zeitnah, diskutiert werden, damit Bruchsal auch über die Bundesstiftung „Orte der Demokratiegeschichte“ entsprechende finanzielle Förderungen beantragen kann. Hier der volle Wortlaut unseres Vorschlags:

Vorbemerkungen

Straße der Demokratie
Die Stadt Bruchsal war ursprünglich Mitglied in der kommunalen Arbeitsgemeinschaft „Straße der Demokratie“, die im Jahr 1998 anlässlich des 150-jährigen Jubiläums der Freiheitserhebungen 1848/49 gegründet wurde. Die Idee wurde im Jahr 2005 von den Archivaren und vor allem von den Tourismus-Managern der Städte Frankfurt, Freiburg, Heidelberg, Karlsruhe, Landau, Lörrach, Mainz, Mannheim, Neustadt, Offenburg, Rastatt und Bruchsal aufgegriffen und in ein touristisches Angebot umgesetzt, nachzulesen in dem Buch „Die Straße der Demokratie – Ein Routenbegleiter auf den Spuren der Freiheit“ aus dem Jahr 2007, u.a. auch mit einem Beitrag des Bruchsaler Stadtarchivars. Bei der Zweitauflage des Buches im Jahr 2011 war Bruchsal nicht mehr vertreten, man hatte die Arbeitsgemeinschaft aus finanziellen Gründen verlassen. Ein Schritt, der allerdings auch inhaltlich nachvollziehbar sein kann, denn Bruchsals Selbstdarstellung in dieser interkommunalen Straße erschöpfte sich hauptsächlich in den Themen Barockschloss und Strafvollzugsanstalt – beides Themen, mit denen man unter dem Logo dieser Aktion und dem Profil anderer Städte inhaltlich kaum wettbewerbsfähig war. Dies, obwohl zum 150-jährigen Jubiläum Jahre zuvor auch in Bruchsal ein ansprechendes Veranstaltungsprogramm mit vielen historischen Informationen über Bruchsals Rolle in diesen Jahren geboten wurde, wie in dem 1998 von der damaligen Historischen Kommission der Stadt herausgegebenen Buch „In unserer sonst so ruhigen Stadt…“ beschrieben wird. Dieses Thema wurde in der Außendarstellung Bruchsals allerdings sträflich vernachlässigt, obwohl – wie mittlerweise durch weitere historische Forschungen nachgewiesen – Bruchsal recht beachtliche Beiträge zu den verschiedenen demokratischen Erhebungen der früheren Jahrhunderte aufzuweisen hat. Dies wird auch in dem von der Abteilung Kultur im Hauptamt der Stadtverwaltung für das Jahr 2024 geplanten Veranstaltungsprogramm zum 175-jährigen Jubiläum deutlich werden.

Route der Demokratiegeschichte
In der Zwischenzeit hat sich mit Sitz in Weimar eine bundesdeutsche Arbeitsgemeinschaft „Orte der Demokratiegeschichte“ gebildet. Der Förderverein „Demokratiegeschichte Bruchsal“ ist Mitglied in dieser AG. Im Jahr 2023 hat die AG ein Projekt „Route der Demokratiegeschichte“ gestartet, mit dem künftig bundesweit touristische Angebote mit diesem Themenhintergrund koordiniert und auch im In- und Ausland professionell beworben werden sollen. Dafür sind zwei Ebenen vorgesehen, einmal Städte oder Orte als so genannte „Ankerpunkte“, zum anderen so genannte „Cluster“, die um diese Ankerpunkte herum gebildet werden. Bruchsal ist bei den vorbereitenden Online-Konferenzen zu diesem Konzept durch den Förderverein auf der Ebene „Cluster“ bereits vertreten und beteiligt. Es gibt aber durchaus die Chance, eventuell sogar als „Ankerpunkt“ aufgenommen zu werden, da die Stadt zu den Themen der Demokratiewerdung mit allen erfolgversprechenden Ansätzen, aber auch allen Rückschlägen und Misserfolgen der deutschen Geschichte wohl mehr Ereignisse und Protagonisten nachweisen kann als viele andere Städte unserer Größe und dies in einem kompakten Stadtrundgang, der auch mit den entsprechenden modernen Kommunikations-Medien präsentiert werden sollte. Diesem Ziel dient dieser Vorschlag eines entsprechenden Tourismuskonzeptes.

Bundesstiftung Orte der Demokratiegeschichte
Zu beachten ist dabei, dass die AG „Orte der Demokratiegeschichte“ mittlerweile eine eigene Bundesstiftung „Orte der Demokratiegeschichte“ erhalten hat, über die für sinnstiftende Investitionen als auch für den Dauerbetrieb eventueller Einrichtungen Zuschüsse gewährt werden. Die erste Antragsfrist läuft Ende Februar 2024 bereits ab. Für Bruchsal besteht daher die Möglichkeit, für eventuelle erste Investitionen in dieses Projekt schon in diesem Jahr Zuschüsse zu bekommen. Die Anträge können von jeder juristischen Person gestellt werden, der Förderverein wird dies mit Kooperation und Unterstützung durch die Stadtverwaltung prüfen.

Projektvorschläge
Überblick Stand Mai 2023

Diese erste Übersicht zeigt die möglichen Anlauforte eines solchen Stadtrundgangs, der natürlich noch durch weitere Plätze und Exkursionen außerhalb der Kernstadt ergänzt werden kann wie den Obergrombacher jüdischen Friedhof oder das Joss-Fritz-Denkmal in Untergrombach. In einem solchen Rundgang können Themen wie Bauerkriege mit Hinrichtung Anton Eisenhuts am Bergfried, Barockschloss und dessen Finanzierung durch Schutzjuden, Judenprogrome im Mittelalter, Demokratischer Volksverein in Bruchsal, Badische Revolution mit Befreiung der politischen Gefangenen durch die Bruchsaler Bevölkerung, Bruchsaler „Forty eighters“ in den USA, Arbeiter- und Bauernrat 1918, Richtstätte der NS-Terrorjustiz, Wehrmachtgefängnis, Reichsprogromnacht, Geschichte der jüdischen Bevölkerung von Bruchsal und Umgebung, Vertreibung nach Gurs, jüd. Grabsteine in der Obergrombacher Hohle, Opposition gegen NS-Regime, NS-Aktivisten in Bruchsal, 1. März 1945 und viele Ereignisse auch aus der Nachkriegszeit wie der Bau des Feuerwehrhauses präsentiert und in einen historischen Zusammenhang gebracht werden. Auch die Liste der historischen Personen in diesem Zusammenhang ist beachtlich: Anton Eisenhut, Joss Fritz, Fürstbischöfe, Lorenz Brentano, Franz Sigel, Corvin-Wiersbitzki, Peter Lacher, Minister von Bekk, Amalie und Gustav Struve, Sebastian Grundel, der „Neutempler“ Karl Geitz, Bea Macgill, Edith Löb, Otto Oppenheimer, Gruppe Christopher. Diese Listen sind sicher noch zu ergänzen, sie zeigen aber die besonderen Möglichkeiten, allein in der Stadtmitte von Bruchsal wesentliche Teile der deutschen Demokratiegeschichte wie in einem Brennglas zu veranschaulichen.

Umsetzungsmöglichkeiten
Für die Umsetzung eines solchen Stadtrundgangs gibt es verschiedene Beispiele. Hier das von Breisach/Kaiserstuhl, ein Muster, das auch für Bruchsal umsetzbar und finanzierbar wäre:

Solche Tafeln sind wetterfest, randalier-sicher und über einen langen Zeitraum UV-beständig, durchaus preiswert und optisch attraktiv.

Der Stadtrundgang kann auch in kurzen Videoclips zu einzelnen Stationen, Ereignissen oder Personen angeboten werden, die u.U. über QCR-Codes vor Ort abgerufen werden können. Der Förderverein „Demokratiegeschichte Bruchsal“ bietet an, die inhaltliche Vorbereitung wie auch die Umsetzung dieses Stadtrundgangs in Kooperation mit der Stadtverwaltung zu koordinieren und ihn auch innerhalb des bundesweiten Projektes „Route der Demokratiegeschichte“ auf Dauer zu vertreten.

Zentraler Punkt des Stadtrundgangs: Denkort Fundamente

Wichtig ist aber, dass ein solcher Stadtrundgang einen zentralen Sammel-Punkt bekommt, an dem weitere Informationen in konzentrierter Form geboten werden. Ein idealer Standort, räumlich und inhaltlich, wäre der „Denkort Fundamente“ mit dem Haus der Geschichte der Juden Badens, zu dem ein solcher Stadtrundgang eine wichtige und unverzichtbare historische Ergänzung darstellt. Mit einem solchen Gesamt-Konzept, wenn es nur energisch angegangen und in ersten Schritten recht zeitnah umgesetzt wird, kann Bruchsal in dem Tourismus-Konzept „Route der Demokratiegeschichte“ unter Umständen sogar den Antrag stellen,  als „Ankerpunkt“ anerkannt zu werden. Dies würde der Stadt die einmalige Chance bieten, bei verschiedenen regionalen Rundreise-Angeboten, die von dem Projekt geplant werden, an prominenter Stelle vertreten zu sein.  

Weiteres Vorgehen

Da die erste Antragsfrist für eventuelle Zuschüsse bereits im Februar ausläuft, wird dieser Projektvorschlag der Stadtverwaltung, der Kommission für Stadtgeschichte, dem Gemeinderat und den lokalen Medien zur weiteren Diskussion in der Stadtgesellschaft übergeben. Der Förderverein „Demokratiegeschichte Bruchsal“ schlägt vor, möglichst rasch ein erstes Gespräch mit den zuständigen Ämtern der Stadtverwaltung zu führen, um die Chancen für eine Umsetzung zu eruieren sowie eine erste Kostenkalkulation für einen eventuellen Förderantrag zu erarbeiten.  Das Projekt könnte dann in der nächsten Sitzung der Kommission für Stadtgeschichte beraten werden, bevor es dann dem Gemeinderat zur weiteren Beratung und Entscheidung vorgelegt wird.

Weitere Informationen über die AG „Orte der Demokratiegeschichte“ und die dazu gehörende Bundesstiftung sowie dasProjekt “Route der Demokratiegeschichte“ mit entsprechenden Links und Kontakt-Adressen können über den Förderverein „Demokratiegeschichte Bruchsal“ angefragt werden.

Verantwortlich:
Förderverein „Demokratiegeschichte Bruchsal“
Rainer Kaufmann – Dr. Jürgen Dick
1. und 2. Vorsitzender
www.bruchsal-bergfried.dedemokratiegeschichte@bruchsal-bergfried.de

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