Der 9. November ist ohne Frage ein besonders wichtiger Jahrestag in Deutschland. Am 9. November 1938 wurden auf Geheiß des Nazi-Regimes die jüdischen Synagogen im Reich abgefackelt, so auch die in der Bruchsaler Friedrichstraße. Und die Feuerwehren hatten die klare Anweisung, nicht einzugreifen, sondern nur die umliegenden Häuser vor einem Übergriff der Flammen zu schützen. Die weitere spezielle Bruchsaler Geschichte ist bekannt: Nach dem Krieg wurde ausgerechnet auf dem Gelände der abgefackelten Synagoge ein Feuerwehrhaus errichtet, das bis vor wenigen Jahren noch seinen Dienst versah. Die Feuerwehr ist mittlerweile ausgezogen, jetzt sind vorübergehend die Malteser untergebacht, aber auch nicht mehr lange. Die Diskussion, was aus dem Haus unter dem von der Oberbürgermeisterin ausgegebenen Logo „Denkort Fundamente“ werden soll, ist im politischen Hintergrund aber noch lange nicht abgeschlossen. Im Gegenteil, es scheint nach derzeitigen vertraulichen Informationen alles relativ offen zu sein.
Wir haben uns mit unserem „Förderverein Demokratiegeschichte-Bruchsal“ in mehreren Beiträgen der letzten Jahre immer wieder konzeptionell in die Diskussion eingebracht und dabei die Position vertreten, dass die Erinnerung an die jüdische Bevölkerung samt den Verbrechen an ihr ohne eine historisch-inhaltliche Verknüpfung mit der deutschen Demokratiegeschichte – all ihren Rückschlägen, aber auch all ihren Erfolgen – nicht denkbar ist. Deshalb ist es für uns mehr als bedauerlich, dass unser Verein und seine Vertreter aus allen weiteren Planungs-, Diskussions- und Beratungsgremien ausgeschlossen wurden. Es wird höchste Zeit, dass sich die Verantwortlichen darüber einmal Gedanken machen, was es heißt, jahrelanges bürgerschaftliches Engagement in einer solch wichtigen Sache einfach zu ignorieren.
Zum weiteren Hintergrund der gesamten Diskussion in Bruchsal: Jetzt ist ein Video aufgetaucht, das eine Gedenkstunde der Bruchsaler Friedensinititative vor dem Bruchsaler Feuerwehrhaus am 9. November 2017 dokumentiert. Diese Gedenkstunde war die erste öffentlich wirksame Veranstaltung, bei der auf die besondere historische Verantwortung der Stadt Bruchsal beim Umgang mit diesem Gelände hingewiesen wurde. Die Beteiligten: Ruth Birkle (Friedensinitiative Bruchsal) und Rainer Kaufmann (Förderverein Bergfried/Demokratiegeschichte Bruchsal) als Redner und die Badische Landesbühne mit einer eindrucksvollen historischen Lesung. Diese Veranstaltung dokumentiert den eigentlichen Paradigmenwechsel im öffentlichen Umgang mit diesem Gelände, denn bis zu diesem Zeitpunkt galt in Verwaltung, Gemeinderat und der Lokalpresse noch die Maxime: optimale Verwertung dieses innerstädtischen Filet-Grundstücks durch einen Investor samt dem in der mittelfristigen Finanzplanung angeblich bereits „eingepreisten“ Millionen-Ertrag für die Stadtkasse. Wie uns aus internen Quellen der Stadtverwaltung damals schon kurz nach dieser Veranstaltung mitgeteilt wurde, hat sich das Bewusstsein im Bruchsaler Rathaus mit den Reden, aber auch mit einem zeitgleich erschienenen Artikel in der „Jüdischen Allgemeinen Wochenzeitung“, grundsätzlich geändert. Die Aussage war: „Wir wissen jetzt in der Verwaltung, dass wir mit diesem Gelände anders umgehen müssen!“ Die Folge war dann der öffentliche Ideen-Wettbewerb und die Losung vom „Denkort Fundamente“. Es wird Zeit, dass diese Idee jetzt endlich konkretisiert wird, wobei uns wichtig erscheint, dass das End-Konzept eine breite Zustimmung in der Öffentlichkeit der Stadt findet. Deshalb sollten viele engagierte Strukturen jetzt schon in die weitere Diskussion eingebunden werden, die überdies dringend aus den Hinterzimmern kommunaler Verwaltungs- und Politik-Zirkel herausgeführt werden sollte. Die Öffentlichkeit hat in einem solch wichtigen Thema ein Interesse, aber auch ein Anrecht, auf rechtzeitige Information und Teilhabe, bevor alle Entscheidungen im Hintergrund getroffen sind. Und: Die politischen Akteure sollten sich rechtzeitig mit ihren Positionen einer öffentlichen Diskussion stellen. Das wäre einem demokratischen Verfahren würdig.
Ein Meinungsbeitrag von
Rainer Kaufmann
Für alle, die sich für die Gedenkfeier vom 9.11.2017 interessieren, hier der Link zum Video: